Familie Reifenberg

Bahnhofstraße 25

Josef Reifenberg wurde am 17. Februar 1855 in Horn-Mielinghausen (heute ein Ortsteil von Erwitte im Kreis Soest) geboren. Zusammen mit seiner Frau Rosalie, geb. Brandenstein, zog er im Mai 1889 nach Unna. Rosalie Brandenstein kam am 17. August 1863 in Hümme (bei Hofgeismar) zur Welt und war das älteste von elf Geschwistern.

Im Erdgeschoss ihres Hauses, zentral gelegen in der Bahnhofstraße 25, eröffnete das Ehepaar das Textil- und Konfektionsgeschäft „Josef Reifenberg“. Offensichtlich nahm die Kundschaft das Geschäft gut an, denn bereits zwei Jahre später vergrößerte Josef Reifenberg den Laden und ließ neue Schaufenster anliegen. Umfangreichere Umbauten erfolgten im Jahr 1904: Unter anderem wurde das Vorderhaus um ein Stockwerk ergänzt und die noch heute existierende Fassade errichtet.

1913 übergab Josef Reifenberg sein Haus und Geschäft an seinen Schwager Julius Brandenstein. Das Geschäft firmierte aber weiterhin unter dem Namen „Josef Reifenberg“. Im November des gleichen Jahres zog das Ehepaar Reifenberg mit den beiden Söhnen Hugo und Fritz in die Sedanstraße 11a (heute Lortzingstraße) in Unna um. Als Rentner engagierte sich Josef Reifenberg in der Synagogengemeinde Unna und war ab 1919 Mitglied des Vorstands des in Unna beheimateten Israelitischen Altersheim in Westfalen e. V.

Der Name der Familie Reifenberg findet sich auch im „Eisernen Buch“, das im Stadtarchiv Unna verwahrt wird. Dort trugen sich alle Spender ein, die an einer Nagelungsaktion im Ersten Weltkrieg teilnahmen. In Unna wurde am 30. Januar 1916 ein sogenanntes Kriegswahrzeichen in Form einer großen Granate eingeweiht, in die zuvor erworbene Nägel eingeschlagen wurden. Der Erlös dieser Aktionen wurde für die Kriegswirtschaft verwendet. Bereits auf den ersten Seiten des Buches ist bei den namentlich gekennzeichneten Familienschildern, für die ein erheblich größerer Betrag zu spenden war als für einen Nagel, der Eintrag „Familie Josef Reifenberg“ verzeichnet. Von einem ortsansässigen Geschäftsmann wurde ein solch patriotisches Bekenntnis seitens der Stadtgesellschaft sicherlich erwartet; vermutlich entsprang es aber auch innerer Überzeugung.

 

Bis März 1935 lebten Josef und Rosalie Reifenberg in der Sedanstraße, dann verließen sie Unna und zogen nach Düsseldorf, zunächst in die Cecilienallee 25. Ihre letzte Adresse in Düsseldorf war die Grimmstraße 36; dieses Haus hatten die Nationalsozialisten zum „Judenhaus“ deklariert. Von dort wurde das Ehepaar am 21. Juli 1942 mit dem Transport Nr. VII/1 nach Theresienstadt deportiert. Der 87-jährige Josef Reifenberg starb am 27. Juli wenige Tage nach der Ankunft im Ghetto, seine Frau Rosalie überlebte ihn um einige Monate und starb im Alter von 79 Jahren am 23. Dezember 1942 laut Todesfallanzeige an Altersschwäche.

Das Ehepaar Reifenberg hatte drei Kinder, die zur Welt kamen, während die Familie in der Bahnhofstraße 25 wohnte: Tochter Anna Phillizzine, geboren am 23. März 1891, verstarb im Alter von 18 Jahren am 8. Dezember 1909. Auch Sohn Fritz (Friedrich), geboren am 14. Juli 1899, starb bereits als junger Student am 10. Februar 1922 in Unna. 

Hugo, geboren am 27. Juli 1897, studierte Medizin und promovierte 1922 in Köln. Nach seiner Approbation arbeitete der Kinderarzt am Evangelischen Krankenhaus der Eduard-Morian-Stiftung in Duisburg-Hamborn und wurde Direktor der dortigen Kinderabteilung. 1928 heiratete Hugo Reifenberg die aus Saarbrücken stammende Hedwig (Hede) Cahn (geb. am 4. Oktober 1904). Nachdem Hugo Reifenberg im April 1933 auf Grundlage des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ entlassen worden war, führte er in Duisburg-Duissern eine Privatpraxis. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde seine Wohnung verwüstet und Hugo in der Folge vom 17. November bis zum 7. Dezember 1938 in „Schutzhaft“ in das KZ Dachau genommen. Im Februar des Folgejahres gelang ihm gemeinsam mit seiner Frau die Emigration in die USA, wo er in New York wieder als Arzt praktizierte. Dort starb Hugo Reifenberg im April 1980.

Spuren seiner Frau und seines Sohnes finden sich zehn Jahre später in Israel. In den Akten des Hellweg-Museum Unna ist ein Schreiben von F. Reifenberg von Dezember 1990 archiviert. Darin berichtet er, dass er kurz zuvor in den USA Lotte Kaufmann (geb. Lotte Brandenstein), eine Cousine seines Vaters Hugo, getroffen habe. Seine Mutter Hede starb 1991 in Israel. 

Beate Olmer

 

Quellen/Literatur:

Eduard Seidler: Jüdische Kinderärzte 1933-1945. Entrechtet/Geflohen/Ermordet, erw. Neuauflage, Basel u. a. 2007

Meldekarten Reifenberg (Meldekartei/Bürgerrolle der Stadt Unna), Stadtarchiv Unna, Melderegister

Bauakte Bahnhofstraße 25, Archiv des Bauordnungsamtes der Kreisstadt Unna

Todesfallanzeigen des Ghetto Theresienstadt (www.holocaust/cz/de/opferdatenbank)