Familie Rosenmeyer

Familie Rosenmeyer

Bahnhofstraße 25

Josef Rosenmeyer wurde am 25. Dezember 1854 in Wolfhagen (bei Kassel) geboren. Er war verheiratet mit Friederike Rosenmeyer (geb. Rosenmeyer), die am 5. Oktober 1858 in Langenschwanz (bei Fulda) zur Welt kam. Das Ehepaar hatte drei Töchter, von denen uns zwei namentlich bekannt sind: Anna und Frieda. Frieda wurde am 14. Mai 1884 als jüngste der drei Schwestern in Wolfhagen geboren. Ende des 19. Jahrhunderts ist die Familie in Straßburg nachweisbar; Josef und Friederike Rosenmeyer betrieben dort ein Möbelgeschäft, zunächst in der Marktgasse 9, später (etwa ab 1913) in der Judengasse 12. 

Im Juli 1919 zog das Ehepaar Rosenmeyer nach Unna um. Da das Elsass nach dem Ersten Weltkrieg wieder zu Frankreich gehörte, hätten Josef und Friederike Rosenmeyer als Deutsche ein Einbürgerungsverfahren durchlaufen müssen. Sie entschieden sich dazu, ihr Geschäft (vermutlich auch altersbedingt) aufzugeben und Straßburg zu verlassen. In Unna lebte inzwischen Tochter Frieda, die im Dezember 1909 in Straßburg den Kaufmann Julius Brandenstein geheiratet hatte. Im Jahr 1913 hatte Julius Brandenstein dann in der Bahnhofstraße 25 in Unna das Textilgeschäft seines Schwagers Josef Reifenberg übernommen. 

Josef und Friederike Rosenmeyer lebten nun in der oberen Etage des Hauses in der Bahnhofstraße 25. Enkelin Lotte Kaufmann (geb. Brandenstein) beschreibt ihre Großeltern in ihrer 2008 erschienenen Autobiographie in der Rückschau so: Friederike sei eine reizende, aber etwas altmodische Dame gewesen, die stets Blusen mit hohem, steifem Kragen getragen habe. Lottes Großvater Josef sei dagegen ein sehr moderner Mensch gewesen, der über alle Neuerungen informiert gewesen sei und sich dafür habe begeistern können. Bis zu seinem Tod arbeitete er im Geschäft von Julius und Frieda Brandenstein als Kassierer. Er starb am 4. Oktober 1935 im Alter von 80 Jahren in seiner Wohnung in der Bahnhofstraße 25 (seit April 1933 Adolf-Hitler-Straße). Zwei Tage später wurde er auf dem Jüdischen Friedhof an der Massener Straße bestattet. Sein Grabstein ist bis heute erhalten.

Seine Witwe Friederike Rosenmeyer verließ Unna gemeinsam mit Tochter und Schwiegersohn Ende November 1938. Am 1. Oktober 1938 hatte Julius Brandenstein einen Vertrag über den Verkauf seines Wohn- und Geschäftshauses geschlossen, der im Dezember nach einer erzwungenen Reduzierung des Kaufpreises genehmigt wurde. In der Pogromnacht vom 9. November entging Friederike Rosenmeyer aufgrund ihres Alters, anders als Julius und Frieda Brandenstein, der Verhaftung. 

Die drei Familienmitglieder zogen nun nach Hilden, wo sie in der Benrather Str. 1 im Haus von Erna Kaufmann, der Schwiegermutter von Lotte Brandenstein, lebten. Nachdem Erna Kaufmann Anfang 1939 zu ihren in Amsterdam lebenden Brüdern gegangen war, konnten Friederike Rosenmeyer und das Ehepaar Brandenstein zunächst noch in ihrer Wohnung bleiben. Die Stadt Hilden hatte jedoch großes Interesse an dem Erwerb des repräsentativen Gebäudes und drängte auf den Auszug. Die Versuche von Julius Brandenstein, die nötigen Unterlagen für eine Auswanderung in die USA zu erhalten, wo seit Kurzem die Kinder des Ehepaars lebten, scheiterten. Durch persönliche Kontakte erhielt die Familie schließlich eine Wohnung in Köln angeboten, in die sie im Juni 1939 umzog. Da die Meldeunterlagen weder in Hilden noch in Köln erhalten sind, ist die Adresse nicht bekannt.

Die Spur von Friederike Rosenmeyer findet sich erst im Jahr 1942 wieder. Am 14. April verstarb sie im Jüdischen Krankenhaus in Köln-Ehrenfeld an Schlagaderverkalkung. Zuvor hatte sie im Haus Hülchrather Str. 6 gelebt, das die Nationalsozialisten zu einem Ghettohaus gemacht hatten. Es ist davon auszugehen, dass sie ansonsten bei einem der nächsten Transporte, ebenso wie ihre Tochter und ihr Schwiegersohn, in das Ghetto Theresienstadt deportiert worden wäre. 

Beate Olmer

 

Quellen und Literatur

Lotte Kaufmann: What a Life!, Personal History Productions, 2008

Meldekarten Rosenmeyer (Meldekartei/Bürgerrolle der Stadt Unna), Stadtarchiv Unna, Melderegister

Sterbeurkunde Josef Rosenmeyer, Stadtarchiv Unna, Standesamt Unna, Sterberegister 239/1935

Sterbeurkunde Friederike Rosenmeyer, Digitales historisches Archiv der Stadt Köln, Personenstandsregister, Standesamt Köln-Ehrenfeld, 1942, Bd. 1, K7 St1942 Nr. 439

Fotoalbum von Lotte Brandenstein, Hellweg-Museum Unna, Inv.-Nr. 2021/105 und 2021/106

Cramers Kunstanstalt Dortmund, Hellweg-Museum Unna, Inv.-Nr. 91/249